Wie blicken Tester auf die Ladegeschwindigkeit?
Eigentlich alle modernen Smartphones haben irgendeine Form von Schnellladen – die Frage ist nur, welche Form. (BQ Aquaris X2; Bildquelle: www.bq.com/de/)
Nichts verärgert Smartphone-Nutzer mehr als wenn das Gerät schon vor Ablauf eines Arbeitstages wieder an die Steckdose muss. Denn jeder Ladevorgang kostet Zeit, oftmals vergehen Stunden, bevor man das Handy wieder verwenden kann. Da aber die Größe des Akkus nur in Grenzen erhöht werden kann, richten sich die Augen der Hersteller – und damit auch der Tester – zunehmend auf effektivere Ladetechniken. Das Schlagwort "Schnellladen" ist in aller Munde, doch zeigen gerade Tests immer wieder, dass Schnellladen eben nicht Schnellladen ist. Es gibt verschiedene Standards, die auch noch in unterschiedlichen Leistungsstufen implementiert werden.
Daher lassen sich Tester von solch schönen Worten gar nicht erst blenden, sondern blicken gleich auf die unmittelbar erbrachten Ladezeiten. Die hängen natürlich einerseits von der verwendeten Ladetechnik, andererseits aber auch der Größe des jeweiligen Akkus ab. Bei einem Modell mit 4.000 mAh Nennladung kann auch ein Ladevorgang von mehr als einer Stunde noch als fixes Schnellladen gelten, wohingegen bei einem Akku mit 2.500 mAh eher eine halbe Stunde erwartet wird. Dabei wird auch unterschieden in eine erste und eine zweite Hälfte des Ladevorganges. Denn Letztere dauert aus technischen Gründen stets länger, maßgeblich für die Praxis ist vor allem die Dauer des Ladevorgangs für die ersten 50 Prozent Ladung.
Was gilt als "echtes" Schnellladen?
Grundsätzlich gilt alles als Schnellladen, was zügiger arbeitet als die klassische Ladetechnik mit 5 W, die sich zusammensetzt aus einer Nennspannung von 5 V und 1 A Ladestrom. Da bei Smartphones in der Regel immer mit 5 V gearbeitet wird, sind primär höhere Ladeströme das Mittel der Wahl. Fast alle modernen Geräte werden heute bereits mit 2 A und somit 10 W geladen, wenn sie ihr eigenes Ladegerät verwenden. Obwohl es formell als Schnellladen gilt, wird dies doch von den meisten Nutzern bereits als normal empfunden. Der Ladestandard sollte also deutlich mehr leisten können.
In Frage kommen dabei vor allem zwei Lösungen: Qualcomm hat mit Quick Charge 3.0 einen solchen Standard etabliert. Er bringt bis zu 18 W Leistung und stellt durch ein cleveres Alternieren von Spannung und Stromstärke sicher, dass das Gerät dabei trotzdem nicht heiß wird. Die nicht kompatible Konkurrenz kommt vom USB-Konsortium, denn die USB-Schnittstelle kann seit USB 3.1 auf USB-C nun auch hohe Ladeströme übertragen. Das zertifizierte "USB Power Delivery" erlaubt bis zu 15 W über Standardkabel, künftige Smartphone-Generationen sollen dank Erhöhung der Ladespannung und mittels neuer Spezialkabel sogar 36 W Leistung aufnehmen – also 3,6x mehr als bei den ersten Schnellladegeräten.
Warum sind Quick Charge und USB Power Delivery nicht kompatibel?
USB Power Delivery nutzt ein eigenes Logo zur Kennzeichnung entsprechender "Fast Charger". (Bildquelle: usb.org)
Zugegeben, es ist verwirrend. Quick Charge von Qualcomm nutzt letzten Endes auch die USB-Schnittstelle, um den Strom zu transportieren. Wieso braucht es diese Technik dann überhaupt, wenn USB Power Delivery dies auch ohne Fremdtechnik erlaubt? Der Hintergrund ist, dass frühere USB-Standards nie dazu gedacht waren, große Ladeströme zu transportieren. Es brauchte also einen speziellen Ladeadapter und eine besondere Ladetechnik im Smartphone, die zudem vom Prozessor unterstützt werden musste. Dies wurde in Form von Quick Charge umgesetzt. Seit Einführung von USB 3.1 kann USB all dies eben auch – und das ganz ohne spezielle Ladetechnik. Die Schnittstelle selbst kann diese Ladeströme handhaben und erkennt auch gleich, wie viel das angeschlossene Kabel verträgt.
USB Power Delivery ist hierbei billiger, erfordert keine speziellen Chipsätze und besitzt mehr Leistungsreserven für künftige Gerätegenerationen. Tatsächlich hat Qualcomm zwar noch eine Generation Quick Charge 4 und 4+ definiert, die wäre aber auch nur mit USB-C und den dazugehörigen neuen Kabeln möglich gewesen. Quick Charge ist somit nur noch für die Geräte der Generation "Micro-USB" von Interesse, auf denen USB Power Delivery nicht funktioniert, und ansonsten schlichtweg überflüssig geworden.
Und was ist mit Apple?
Apple Power Brick – 29-W- oder 61-W-Ladeadapter, die ein Schnellladen mit MacBook und iPhone ermöglichen. (Bildquelle: apple.com)
Wie immer tanzt Apple aus der Reihe – und ist überraschend spät dran. Erst seit dem iPhone 8 wird überhaupt eine vergleichbare Technik geboten, um die Hälfte des Akkus in etwa 30 Minuten laden zu können. Dafür benötigt man ein spezielles Ladegerät namens "Power Brick", mit dem man immerhin auch MacBooks laden kann. Das Ladegerät kann bis zu 29 W liefern, was entsprechend rund 3x so schnellen Ladevorgängen entspricht als sie die erste Quick-Charge-Generation bot. Das Zubehör trägt zudem Apple-typisch mit 70 Euro dick auf. Das ist umso betrüblicher als Apple im Hintergrund eigentlich sehr wohl USB Power Delivery verwendet. Durch die nötige Lightning-Schnittstelle wird aber doch wieder alles etwas komplexer.