IFA 2024: Wie viel KI steckt wirklich in der Technik?
Die IFA feierte in diesem Jahr ihr 100. Jubiläum. Entsprechend viel zu bestaunen, gibt es auf der weltgrößten Messe für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte. Im Mittelpunkt steht das Thema „Künstliche Intelligenz“. Ob die Hersteller mit ihren Produkten halten, was sie versprechen, haben wir für Sie unter die Lupe genommen.
Was ist AI?
Der Begriff AI (Abkürzung für Artificial Intelligence, dt. Künstliche Intelligenz, KI) bezieht sich auf den Bereich der Informatik, der sich mit der Entwicklung von Maschinen und Systemen befasst, die in der Lage sind, Aufgaben zu erfüllen, für die normalerweise menschliche Intelligenz erforderlich ist. Dazu gehören Lernen, Problemlösung, Mustererkennung, Sprachverarbeitung, Entscheidungsfindung und andere kognitive Prozesse.
Künstliche Intelligenz - Die Zukunft oder bloßes Werbeversprechen?
Immer mehr Hersteller werben mit Produkten, die mit Unterstützung durch KI funktionieren. Eingesetzt wird KI vor allem in Anwendungen wie Sprachassistenten, bei autonomem Fahren und Gesichtserkennung. Insbesondere bei Haushaltsprodukten springen immer mehr Unternehmen auf den Zug, um Features als vermeintlich „neu und innovativ“ auszuzeichnen. Wir haben uns gefragt, wie neu und innovativ die KI-gestützten Funktionen neuer Produkte tatsächlich sind und haben uns auf der 100. Internationalen Funkausstellung umgesehen und umgehört, um die Frage zu beantworten:
Handelt es sich tatsächlich um sinnvolle KI oder bloß um schlichtes Marketing altbewährter Smart-Funktionen?
Das haben wir auf der IFA 2024 herausgefunden:
Julian, Ressort Computer & Telekommunikation
Auch in diesem Jahr hatte die IFA ein inoffizielles Thema, das sich wie ein roter Faden durch diverse Hallen und Messestände verfolgen ließ. KI ist in aller Munde. Viele Produkte werden mal größer, mal unscheinbarer, mit fetten Werbeslogans vermarktet. „AI inside“, „powered by AI“, „AI power“ sind nur einige zahlreicher Beispiele, die wir bestaunen konnten. Als selbst eine Tischlampe eine KI besitzen sollte, wurden wir stutzig und suchten das Gespräch.
Security-Hersteller Eufy stach uns ins Auge: Die mehr oder weniger neue Sicherheitskamera eufyCam 3 wird groß mit KI-Unterstützung beworben. Im Gespräch am Messestand wurde dann schnell klar, dass sich hinter der „BionicMind“ Technik eine verbesserte Gesichts- und Sillhouettenerkennung verbirgt, die Bekannte und Freunde von Fremden zu unterscheiden weiß – eine durch höhere Leistung und bessere Hardware in ihrer Präzision verbesserte Technik, welche es im Grunde schon länger gibt. Eine eigenständige KI in diesem Sinne ist das aber nicht.
Ähnliches Bild lieferte uns Samsung, die vor allem im Zusammenhang mit ihren neuesten Foldables rund um das Galaxy Z Fold6 mit „Galaxy AI“ werben. Was sich hinter dieser AI verbirgt? Ein Mitarbeiter erklärte uns, dass es sich dabei um zahlreiche verbessernde Funktionen handelt, die den Alltag mit dem Smartphone zusätzlich erleichtern. Im Dunkeln aufgenommene Bilder werden aufgehellt und verbessert, indem das aufgenommene Foto mit anderen Fotos verglichen und in Echtzeit angepasst wird. Handschriftliche Notizen werden erkannt und der eigene Schreibstil gespeichert, um in diesem Stil künftige Notizen oder Nachrichten anfertigen zu lassen. Zudem ist die Echtzeitübersetzung ein kennzeichnendes Merkmal der Galaxy AI. Handelt es sich hierbei um waschechte künstliche Intelligenz? Eher weniger, denn auch hier handelt es sich lediglich um programmierte, feste Abfragen, die je nach Anwendung durchlaufen werden. Zweifelsohne aber extrem praktische Verbesserungen der einzelnen Galaxy-Funktionen.
Anders hingegen Google, die mit ihren neuen Modellen rund um das Pixel 9 mit Gemini eine eigenständige KI auf den Markt gebracht haben. Ähnlich, wie man es von ChatGPT bereits kennt, haben Sie Zugriff auf die künstliche Intelligenz in Form eines virtuellen Chat-Partners, der im gesamten Smartphone-System agieren kann. Fotos werden gescannt und analysiert, Telefonate können analysiert werden, um beispielsweise darin besprochene Termine in einen Kalender übertragen zu lassen. Dies setzt eine eigenständig agierende KI mit einer gewissen Lernfähigkeit voraus, die Google mit Gemini liefert und damit derzeit alleiniger Vorreiter am Smartphone-Markt ist.
Technik-Riese MSI ist uns im Gespräch erstaunlich offen entgegengekommen. Auch bei den MSI-Laptops auf der IFA war das Stichwort „AI“ allgegenwärtig. Man erklärte uns, dass es sich dabei zunächst lediglich um die Hardware handelt, welche in der Lage ist, künftige KI-Prozesse zu stemmen und zum Laufen zu bringen. Es wäre also in Form von „AI ready“ zu verstehen, ist aber aktuell eine überspitzte Darstellung. Zwar besitzen neueste Modelle von MSI auch eine separate Taste für den Microsoft Copilot, eine eigenständige KI – dies ist allerdings ein Microsoft-Feature und auf zahlreichen Modellen anderer Hersteller auch zu finden.
Insgesamt sehen wir klar, dass viele Hersteller die Gunst der Stunde einer neu aufkommenden Technologie nutzen, um diese sichtbar zu vermarkten. Dies geschieht oft undurchsichtig, man bekommt wenige Informationen über genaue technische Prozesse und wird meist schlicht mit einem „unterstützt durch KI“ konfrontiert. In der Realität ist dies dann oft eine neue Bezeichnung für längst existierende Funktionen, nicht zuletzt auch, um simple Produktpolitik und Marketing zu betreiben.
Joice, Ressort Video & Foto
Der Foto- und Videobereich der IFA ist nicht besonders groß. Daher war es für mich nicht überraschend, dass nur ein Bruchteil der wenigen Hersteller auf der Messe Produkte mit KI-Funktion zeigte. KI-gestützte Gesichtserkennung ist jedoch für viele Fotograf:innen und Content Creator ein immer wichtiger werdendes Thema und stand auf der IFA gleich bei zwei Unternehmen im Fokus.
Insta360 bringt mit Link eine 4K-Webcam mit KI-Funktion auf den Markt. Content Creator und Teilnehmer:innen von Online-Meetings können sich mit der Webcam filmen, die mithilfe einer KI Gesichter erkennt. Dank Gestensteuerung genügt eine Handbewegung, um die Kamera zu bedienen. Diese Funktion ist allerdings nicht neu. Neu ist lediglich die Möglichkeit, mit einer Handbewegung ins Bild hinein- und herauszuzoomen.
Darüber hinaus wirbt Insta360 mit einer KI-Funktion innerhalb der eigenen App. Diese schneidet aus ausgewählten Clips ein Video zusammen und fügt Effekte hinzu. Diese Funktion gibt es bei vielen anderen Herstellern ebenfalls seit Längerem und wird erst seit Kurzem als KI-Feature beworben.
Bei dem Hersteller hohem wirbt man ebenfalls mit einem Gimbal, der dank eines magnetischen KI-Sensors die gefilmte Person automatisch verfolgt. Wie bei der Konkurrenz kann auch die Trackingfunktion der iSteadyM6 mit Handbewegung gesteuert werden. Anders als bei Insta360 ist hierfür nicht einmal eine App notwendig.
Daniel, Ressort Home & Life
Haushaltsgeräte füllen traditionell gleich mehrere Hallen auf der IFA. Auch hier prangt inzwischen das Label „AI“ über den Ständen. Was die Hersteller aber meistens damit meinen, ist lediglich Objekterkennung auf Basis von maschinellem Lernen, nichts Generatives. Das gibt es schon lange und ist auch bei Haushaltsgeräten nichts Neues. KI dient also auch hier als Verkaufsargument, um Geräte, die vorher einmal "smart" waren, besser zu vermarkten. Trotzdem habe ich mir einmal Zeit für einen kleinen Bestandscheck genommen: Wie viel davon steckt in welchen Geräten und wie gut schlagen sie sich in dieser Disziplin?
Am meisten dürften die Saugroboter von der Entwicklung profitieren. Top-Hersteller in diesem Segment wie Dreame und Samsung sind sichtlich darum bemüht, die Bilderkennung zu optimieren. Denn das Problem früherer Geräte war ja: Sie konnten nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden. Neben Schmutz futterten sie auch rigoros Legosteinchen, Schmuck und andere kleinteilige Gegenstände, die besser nicht im Schmutzreservoir landen sollten. Tests fördern allerdings zutage, dass hier noch nachpaukt werden muss.
Wie viel Lernbedarf es noch gibt, zeigt sich auch bei den Mährobotern. Für das bisherige Dreame-Flaggschiff, den Robomower A1, gab es in Tests eine herbe Klatsche, weil er gnadenlos über Igel rollte – trotz der er- und beworbenen Fähigkeit, Hindernissen ab 5 cm Höhe erkennen zu können. Tests werden sicher schon bald zeigen, ob der auf der IFA vorgestellte Nachfolger das besser hinbekommt.
Auch Hersteller von Backöfen haben Bilderkennung für sich entdeckt. Die richtige Temperatureinstellung und Back-/Bratdauer fordert ja viele heraus – gar nicht zu reden von Umluft, Ober- oder Unterhitze. Hersteller wie Siemens/Bosch, LG und Samsung versprechen hier mehr Komfort. Die neue Backofen-Generation kann den Inhalt erkennen und wählt automatisch die richtigen Einstellungen. Essen reinschieben, Klappe zu – den Rest erledigt das Gerät. Auch kann zum Beispiel der gewünschte Bräunungsgrad gewählt werden.
Geht es um künstliche Intelligenz bei Haushaltsgeräten, lohnt sich auch ein Blick auf die Waschmaschinen. Neben Samsung hat LG hier die Nase vorn. Auch dabei geht es im Wesentlichen um Objekterkennung: Das Gerät erkennt die Wäscheart und passt den Waschvorgang an.
Weniger überzeugt haben mich bei den Kühlschränken. Hier spielt Samsung die erste Geige. Geräte, die mit „AI Vision Inside“ ausgewiesen sind, werben ebenfalls mit Objekterkennung. Eine Kamera registriert, was ich hineinstelle. Weiß ich das beim Einkaufen nicht mehr, kann ich in eine App spicken. Infos zum Verfallsdatum und Rezeptvorschläge auf Basis des Inhalts gibt es on top. Bei den Rezepten wäre sogar Luft für generative Ansätze.
Ein ausgiebiger Check von „AI Vision Inside“ machte mich dann aber ziemlich skeptisch: Eier und Limetten zu erkennen, bereitet der Objekterkennung offenbar keine Probleme. Viele Lebensmittel werden allerdings nicht erkannt. Stattdessen gibt es dann von der Kamera einen Schnappschuss beim Hineinstellen. Auch von den Türfächern gibt es nur Fotos. Immerhin. Bilderkennung könnte man sich hier aber auch getrost sparen, weil das Konzept bei verpackten Lebensmitteln nur schwer anzuwenden sein dürfte. Es wäre für mich also nicht überraschend, wenn sich das nicht durchsetzt.
Spannender scheinen mir da schon die Geräte mit „AI Energy Mode“: Der Kühlschrank „lernt“, wie und wann man ihn nutzt und steuert den Kompressor dem Nutzungsverhalten entsprechend. Bei vielen Samsung-Kühlschränken ist das inzwischen Standard, auch wenn die beworbene Energieersparnis nur geringfügigen Einfluss auf die Stromrechnung haben dürfte. Mit ein paar einfachen Energiespartricks lässt sich da sicher mehr rausholen.
Kai, Ressort Hifi & Audio
KI ist 2024 auch bei den TV-Herstellern der IFA ein sehr präsentes Thema – vor allem bei den größeren Unternehmen. Wenn man mal etwas genauer hinschaut oder es sich von den Firmenrepräsentant:innen erklären lässt, wird jedoch deutlich, dass es sich bei den meisten sogenannten AI-Features um Funktionen handelt, die es auch schon vor dem KI-Boom gab.
In erster Linie fielen uns hier Bildverbesserer auf. Upscaling gibt es schon seit Jahren. Künstliche Intelligenz kommt hier nur zum Einsatz, wenn es sich um generative AI handelt. Das bedeutet, dass Bilder mit neuen Inhalten verbessert werden und Objekte generiert werden, die im Ausgangsmaterial nicht vorhanden sind. Die KI erkennt, um welches Bildmaterial es sich handelt und ergänzt es sinnvoll.
Erfreulich: Einige Hersteller wie Thomson oder Blaupunkt erklärten explizit, nicht auf den KI-Zug aufzuspringen, denn Funktionen, die von anderen Herstellern mit AI beworben werden, sind bei den meisten TV-Prozessoren seit Jahren Standard. Positiv aufgefallen ist uns Hisense mit dem hauseigenen Betriebssystem VIDAA. Hier wird KI tatsächlich auf nützliche Art verwendet. So werden zum Beispiel in Echtzeit Untertitel in vielen Sprachen erzeugt oder man kann die KI per Sprachbefehl bitten, die Bildeinstellungen an das aktuelle Ausgangsmaterial (beispielsweise Sport oder Film) anzupassen.
Im Audio-Bereich spielt KI noch nicht so eine große Rolle wie bei Fernsehern oder Haushaltsgeräten. Wir konnten uns aber mit einem AI-Software-Hersteller (Bragi Headphone AI) unterhalten, der uns von KI-Innovationen bei Kopfhörern (in Kooperation mit beispielsweise Skullcandy oder Bose) berichtete. So wird es zukünftig möglich sein, per Sprachbefehl oder mit Gesten direkt auf Chat-GPT zuzugreifen, um sich Informationen zusammenstellen zu lassen.